Beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 wurden rund 1.200 israelische und ausländische Menschen ermordet, mehr als 5.400 Menschen verletzt und 239 Geiseln – überwiegend israelische Zivilist*innen, aber auch israelische Soldat*innen und ausländische Staatsangehörige – gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt. Vermutet wird, dass sich, ein Jahr nach der Geiselnahme, noch etwa 100 Frauen, Kinder und Männer lebend in der Gewalt der Hamas befinden. Der schwelende Nahost-Konflikt hat sich seitdem zu einem immer weiter eskalierenden Krieg mit zehntausenden Toten, Hungersnöten und starken Beschädigungen in mehreren Ländern ausgeweitet.
Der 7. Oktober 2023 markiert einen der dunkelsten Tage in der jüdischen Geschichte seit dem Holocaust. An diesem Tag wurden mehr Jüdinnen und Juden ermordet als an jedem anderen einzelnen Tag seit der Shoah. Der 7. Oktober 2023 stellt eine tiefe Zäsur für jüdische Gemeinden und jüdisches Leben weltweit dar: Das Trauma des Angriffs hat das Sicherheitsgefühl vieler Jüdinnen und Juden erschüttert, da der Angriff auf eigenem Staatsgebiet erfolgte und die Ereignisse Erinnerungen an die Ermordungen und Verfolgungen während des Holocaust wecken. Seither kam und kommt es außerdem zu einem dramatischen Anstieg antisemitischer Vorfälle in vielen Ländern, auch in Deutschland. Wir alle müssen wahrnehmen, dass der Kampf gegen Antisemitismus und die Sicherung jüdischen Lebens auch heute noch dringendst notwendig sind.
Systematischer Einsatz sexualisierter Gewalt als Waffe
Der 7. Oktober 2023 war von schwerer sexualisierter Gewalt vor allem gegen Frauen und Mädchen geprägt. Immer mehr Details über die sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalttaten vor allem auf dem Nova-Musikfestival in Re´im, in den attackierten Ortschaften sowie in Militärbasen am Rande des Gazastreifens und während der Gefangenschaft der Geiseln kommen ans Licht. Es ging und geht den Terroristen darum, die Frauen zu entwürdigen und israelische Zivilbevölkerung auf grausamste Art und Weise in Angst und Schrecken zu versetzen und ein permanentes Bedrohungsgefühl zu erzeugen.
Berichten zufolge ist es nicht mehr möglich, jedem Opfer sexueller Gewalt Gerechtigkeit zukommen zu lassen: Unmittelbar nach dem Attentat lag der Fokus auf der Identifizierung der zivilen Opfer und deren Bestattung. Es wurden anfänglich wenig forensische Beweismittel für das Verüben von Sexualstraftaten während des Massakers gesammelt. Die Gewalttaten werden nun vor allem anhand von Fotos, Videomaterial und einzelnen Zeug*innen rekonstruiert.
Sexualisierte Gewalt – auch in Israel – häufig noch ein Tabu
Frauenrechtlerinnen in Israel beklagen, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt noch zu häufig von deren Tabuisierung bestimmt sei. Zudem gäbe es die Befürchtung, dass Israels konservative Gesellschaft nicht in der Lage sein würde, damit umzugehen.
Berichte von Augenzeugen und -zeuginnen sind selten, weil die meisten Opfer von sexualisierter Gewalt ermordet wurden. Es gebe aber auch noch einen anderen Grund, sagt Orit Sulizeano von der Vereinigung der Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung in Israel. „Wir in Israel wissen, dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis die, die sexuelle Gewalt im Holocaust erlebt haben, darüber geredet haben. 60 Jahre Stille. Die Überlebenden werden nicht reden. Es wird sehr lange dauern, bis sie es vielleicht eines Tages können. Aber es ist passiert, und die Welt muss es glauben.“
Kritik an internationalem Schweigen
Unter Jüdinnen und Juden herrscht weltweit große Wut darüber, dass internationale Organisationen wie die UN lange brauchten, um die verübte sexualisierte Gewalt überhaupt zu thematisieren. Für ihr langes Schweigen kritisiert wurden und werden auch feministische und queere Gruppen. Von Doppelmoral ist die Rede und gefragt wird, ob jüdisches Leben weniger wert sei.
Erst am 29.11.2023 äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres zu den Berichten über sexualisierte Gewalt durch die Hamas-Terroristen am 7. Oktober. Er betonte, dass es „zahlreiche Berichte von sexualisierter Gewalt während der Angriffe“ gebe, denen nachgegangen und die strafrechtlich verfolgt werden müssten.
Am 1. Dezember 2023 verurteilte UN Women, die UN-Organisation für Frauenrechte, „die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober“. Die Organisation zeigte sich alarmiert von den zahlreichen Berichten über sexualisierte geschlechtsspezifische Gewalt während der Angriffe und forderte, dass alle Berichte über sexualisierte Gewalt untersucht und die Taten strafrechtlich verfolgt werden sollten. Dabei betonte die Organisation, dass die Rechte der Opfer im Mittelpunkt stehen müssten.
Am 4. März 2024 veröffentlichte die UN-Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, ihren UN-Bericht über sexualisierte Gewalt während des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023. Dieser Bericht bestätigt, dass es „berechtigten Grund zur Annahme“ gibt, dass es zu Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen an mindestens drei unterschiedlichen Orten kam: Am Schauplatz des Nova-Festivals, neben dem Highway 232 und in der Nähe eines Luftschutzbunkers beim Kibbuz Re’im. In der Schlussbemerkung des UN-Berichts empfahl Patten sowohl den Strafverfolgungsbehörden in Israel als auch den internationalen Organisationen, „sämtliche Täter, ungeachtet von Rang oder Zugehörigkeit, zur Rechenschaft zu ziehen, basierend auf individueller und übergeordneter Verantwortung, sowie auf Befehlsverantwortung“. Außerdem ruft sie Israel dazu auf, eine Kooperation mit ihrer Behörde einzugehen, um die rechtlichen Mechanismen, die sich mit sexualisierter Gewalt befassen, zu verbessern. Andere Quellen wie die New York Times gehen von mindestens sieben Orten aus.
Anlässlich des 07. Oktobers zeigen wir Solidarität mit den Opfern sexueller Gewalt
Der Berliner Frauenbund 1945 e.V. spricht sich gegen jegliche sexuelle Gewalt aus.
Wir sind zutiefst betroffen und nehmen Anteil an dem Leid, das die Frauen, Männer und Kinder, sowie deren Angehörige und Freund*innen erfuhren und immer noch erfahren. Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Überfalls und bei den Geiseln, die sich noch immer in Gefangenschaft befinden.
Wir fordern Medien und Öffentlichkeit auf, die sexuelle Gewalt beim Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und an den Geiseln in Hamas-Gefangenschaft weiter zu thematisieren, darüber zu berichten und zu verurteilen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, Opfer sexueller Gewalt des Hamas-Überfalls an jedem Ort der Welt sowie Israel bei der Aufarbeitung der Verbrechen zu unterstützen.
Wir fordern UN-Organisationen auf, an der Aufklärung und Strafverfolgung der systematisch vollzogenen sexuellen Gräueltaten beizutragen und die Öffentlichkeit darüber regelmäßig zu informieren.