Am 6. Juni 2023 ist die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft getreten. Mit ihr sollen Lohndiskriminierung bekämpft und das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der Europäischen Union abgebaut werden. Bis zum 7. Juni 2026 muss die Entgelttransparenzrichtlinie in Deutschland umgesetzt werden. Sie gilt für (alle) Arbeitgeber*innen in öffentlichen und privaten Sektoren unabhängig von deren Größe – also auch für den Berliner Frauenbund 1945 e.V.. Wir erwarten von der Fortschritts-Koalition noch in dieser Legislatur einen Gesetzentwurf, u.a. um geschlechtergerechte Bewertungsverfahren – auch für den öffentlichen Dienst – voranzutreiben.

Frauenvereine und viele weitere progressive Kräfte kämpfen schon seit langem für die gleiche Bezahlung von „gleicher und gleichwertiger Arbeit“. Sie sind es leid, jährlich die vielen Gender Gaps nur zu beklagen. Wir wollen tiefer liegende Erklärungen für den skandalösen bundesweiten Verdienstabstand von derzeit 18 Prozent, u.a. durch die verbreitete Nutzung des Comparable Worth-Index. Mit diesem wurde statistisch belegt, dass Verdienstabstände (auch) durch ungleiche Arbeitsbewertungen zustande kommen. Wir fordern explizit geschlechtsreflektierte und neutrale Arbeitsbewertungen, hierbei müssen erprobte Verfahren wie Abakaba oder der eg-check.de verbindlich durchgesetzt werden. 

Der Berliner Frauenbund 1945 e.V. will zusammen mit dem „Bündnis für geschlechtergerechte Arbeitsbewertung“ die wohl bekannten, zentralen Hebel zur Herstellung von Entgeltgleichheit in konkrete politische Forderungen und Aktivitäten übertragen. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, ein Netzwerk zu bilden für die vielen Akteur*innen, die sich teilweise seit Jahrzehnten für die Einlösung des Grundsatzes „gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit“ – auch im öffentlichen Dienst – einsetzen. Wir wollen ein aktives Bündnis sein, um denjenigen, die das Problem am stärksten betrifft – die weiblichen Beschäftigten insbesondere in den unteren Entgeltgruppen – in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Politik und auch in den Gewerkschaften ein stärkeres Gewicht zu geben.

Was kommt auf uns zu?

Auf der Grundlage des Entgelttransparenzgesetzes haben Arbeitgeber*innen sicherzustellen, dass diese über ihre Vergütungsstrukturen gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleisten. Entgeltstrukturen sollen so beschaffen sein, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler und, falls vorhanden, mit den Betriebsräten vereinbarter Kriterien beurteilt werden kann, ob sich die Arbeitnehmer*innen in einer vergleichbaren Situation befinden. Geeignete Kriterien hierfür können vor allem Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen sein. Auch soziale Kompetenzen dürfen dabei nicht länger unterbewertet werden.

Um unmittelbare als auch mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierungen im Entgeltbereich auszuschließen, müssen Unternehmen künftig 

• insbesondere einen verbesserten Zugang zu entgeltrelevanten Informationen gewährleisten, 

• umfangreiche Berichtspflichten erfüllen:
Arbeitgeber*innen mit 250 oder mehr Arbeitnehmer*innen haben bis zum 7. Juni 2027 und danach jährlich zu berichten. Für Arbeitgeber*innen mit 150 bis 249 Arbeitnehmer*innen gilt die Berichtspflicht alle drei Jahre. Arbeitgeber*innen mit 100 bis 149 Arbeitnehmer*innen haben erstmals bis zum 7. Juni 2031 und danach alle drei Jahre die Informationen vorzulegen. Für Arbeitgeber*innen mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen lässt die Richtlinie ausdrücklich zu, dass sie nach mitgliedstaatlichen Regelungen ebenfalls Informationen über das Entgelt vorzulegen haben.

• sich im Falle von Verstößen effektiven Durchsetzungsmöglichkeiten stellen (Schadensersatz und Entschädigung, Beweislastverteilung, Sanktionen).

Wir wollen das Entgelttransparenzgesetz noch in dieser Legislatur

Seitens des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde bereits ein Gesetzentwurf für das II. Quartal 2024 angekündigt – noch ist zumindest öffentlich allerdings nichts bekannt. 

Wir wissen: Das Entgelttransparenzgesetz von 2017 hat sein Ziel verfehlt. Der Entgeltdiskriminierung wurde kein Riegel vorgeschoben, die Lohnlücke wurde nicht reduziert und das Prinzip „gleiches Geld für gleichwertige Arbeit“ wurde ebenfalls nicht durchgesetzt. Das aktuelle Entgelttransparenzgesetz verfehlt also deutlich seine Wirkung. Auch Prüfverfahren für Tarifverträge sieht das Gesetz nicht vor. Darauf verwies die Analyse „Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit? Die Entgeltordnung des Tarifvertrags der Länder (TV-L) auf dem Prüfstand“ von Dr. Andrea Jochmann-Döll und Dr. Karin Tondorf bereits 2018. Diese Prüfverfahren sind jedoch dringend erforderlich, denn Tarifverträge schützen zwar vor Lohndumping, aber sie sind, ebenso wie Entgeltordnungen, Arbeitsbewertungssysteme sowie tarifliche Tätigkeitsmerkmale, nicht frei von Diskriminierung.

Der 2023 erschienene zweite Evaluationsbericht zum Entgelttransparenzgesetz weist dringenden Nachbesserungsbedarf auf. Die neue europäische Richtlinie zur Lohntransparenz macht genaue und verbindliche Vorgaben zur Transparenz- und Rechtsdurchsetzung für den öffentlichen als auch privaten Sektor. Die Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes MUSS auch aufgrund dieser EU-Richtlinie erfolgen.