Wir danken Bianca Walther, Historikerin, Podcasterin, Autorin und engagierte Mitfrau des Berliner Frauenbund 1945 e.V., für den gemeinsamen Ausflug in die Entstehungsgeschichte unseres Vereins und die spannenden Kurzportraits der großartigen Feministinnen, die inmitten von Not, Elend und Ruinen die Weitsicht hatten und den Mut aufbrachten, sich zusammenzuschließen, um Frauen in dem neu entstehenden Gemeinwesen Gewicht und Stimme zu geben, konkrete Hilfe zu leisten und die Interessen der Frauen durchzusetzen.
Am 21. Juli 1945, wenige Tage nach dem Einmarsch britischer und US-amerikanischer Truppen in die von der Roten Armee eroberte Reichshauptstadt und der Übernahme der Verwaltung Berlins durch die Alliierte Kommandantur, trafen sich auf Einladung von Agnes von Zahn-Harnack 33 Berliner Frauen um den Deutschen Frauenbund 1945 (heute Berliner Frauenbund 1945, BFB1945) zu gründen.
Zur Gründungsversammlung hatte Agnes von Zahn-Harnack in die geschichtsträchtigen Räume des Helene-Lange-Archivs in die Prinzregentenstraße 89 eingeladen. Ihr war es ein besonderes Anliegen, rasch einen dezidiert antifaschistischen und antimilitaristischen, organisierten Zusammenschluss der Frauen ins Leben zu rufen. Es ging darum, gegenüber den Behörden verhandlungsfähig zu sein, von zentraler Stelle Anregungen und Vorschläge aufgreifen und Pläne ausarbeiten zu können. “Es sei nötig, daß die Frauen diesmal mit ihren Vorschlägen nicht zu spät kämen und nicht erst hineingezogen werden, wenn alles bereits beschlossen sei“(aus dem Gründungsprotokoll vom 21.07.1945).
Die aus nur vier Paragraphen bestehende Satzung vom 21.Juli 1945 ist auch aus heutiger Sicht so ehrgeizig wie zukunftweisend. Beeindruckend ist die klare Abgrenzung zu Nationalsozialismus und Mitläufertum. Sie lautet:
„§ 1
Der deutsche Frauenbund 1945 ist eine Vereinigung von Frauen, die entschlossen sind, an der sittichen, sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung Deutschlands mitzuarbeiten. Er ist antifaschistisch und antimilitaristisch.
§ 2
Der deutsche Frauenbund will der deutschen Frau helfen, die ihr zukommende Stellung in Familie, Staat und Beruf zu gewinnen. Er will ihre Bildung fördern und ihre Interessen vertreten.
§ 3
Der deutsche Frauenbund 1945 erstrebt die Wiederanknüpfung der Beziehungen zu den demokratischen internationalen Frauenorganisationen.
§4
„Mitglied kann jede deutsche Frau werden, die das 21. Lebensjahr vollendet hat und nicht der NSDAP oder der NS-Frauenschaft angehört hat.“
Zu den Gründungsmitgliedern, die im Vorstand oder den bereits in der Gründungsversammlung eingesetzten Arbeitsausschüssen Verantwortung übernahmen, zählten neben der zur Vorsitzenden gewählten Agnes von Zahn-Harnack, Paula Hertwig (2.Vorsitzende), Annamarie Doherr (3. Vorsitzende), Isa Gruner (Schatzmeisterin), Erna Corte (Vorsitz, juristischer Arbeitsausschuss), Marie Schulte-Langforth (Vorsitz, medizinischer Ausschuss, Freda (?) Hoffmann (Vorsitz, Arbeitsausschuss zur Wiederaufnahme der internationalen Beziehungen) und Margarete Gärtner sowie die Botanikprofessorin und ehemalige Widerständlerin Elisabeth Schiemann. Später stießen noch die Juristin und ehemalige Polizeibeamtin Martha Mosse hinzu, die bis Juli 1945 in Theresienstadt interniert war, sowie die frühere Reichs- und spätere Bundestagsabgeordnete Marie-Elisabeth Lüders
Die Gründerinnen des BFB 1945 sahen sich in der Tradition des Bunds Deutscher Frauenvereine (BDF), den Helene Lange und etwa 30 weitere Frauen 1894 als Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegung gegründet hatten. Mit der Vereinsgründung wollten sie auch an den Gedanken und die Stärke der organisierten Frauenbewegung anknüpfen. Im BDF waren bereits 1912 38 Verbände mit 2.200 Vereinen mit geschätzten 500.000 Mitgliedern organisiert. Als im Mai 1933 die Nationalsozialisten den Bund aufforderten, jüdische Mitglieder auszuschließen, alle Führungspositionen mit Nationalsozialistinnen zu besetzen und den Bund an den Zielen und der Ideologie der NSDAP auszurichten, löste sich der Bund unter Führung der damaligen Vorsitzenden, Agnes von Zahn-Harnack auf und kam damit der Gleichschaltung zuvor.
Der Berliner Frauenbund 1945 konnte zu keinem Zeitpunkt an die alte Stärke des BDF anknüpfen. Die Alliierten erlaubten zunächst keine Vereinsgründungen aus Berlin, die sich über die Bezirksebene hinaus erstreckten, und genehmigten nur die Gründung eines „Wilmersdorfer Frauenbunds 1945“. Erst 1947 gelang es, die Genehmigung für ganz Berlin zu erhalten. Bis der Berliner Frauenbund ab 1950 endlich sein Gründungsdatum „1945“ im Namen tragen durfte, bedurfte es weiterer zäher Auseinandersetzungen. Die Teilung Deutschlands und die isolierte Lage Berlins taten später ihr übriges. Gleichwohl ist der Berliner Frauenbund 1945 bis heute ein engagierter Frauenverein, Träger wichtiger Projekte, die die Berliner Fraueninfrastruktur seit vielen Jahrzehnten prägen und – wie von den Gründerinnen gewollt – auch auf europäischer und internationaler Ebene aktiv.
Wir feiern die Frauen, die an diesem 21. Juli 1945 den Grundstein für eine nunmehr 80jährige erfolg- und arbeitsreiche Vereinstätigkeit gelegt haben. An sie zu erinnern heißt, aus dem mutigen Aufbruch unserer Gründerinnen und dem nicht nachlassendem Einsatz aller ihnen nachfolgenden Frauen Kraft zu schöpfen und Motivation, die Zukunft feministisch zu gestalten.
